Umstritten, rechtsesoterisch, Nazi
Framing – oder: Der Ton macht die Musik
Rechtsesoterisch, Nazi, Verschwörungstheoretiker – Framingbegriffe, die inflationär verwendet werden, um die Meinung der Leser zu steuern.
Von: Tobias Graden [mailto:tobias.graden@bielertagblatt.ch]
Gesendet: Montag, 8. Juli 2024 17:40
An: Christian Oesch, Präsident Schweizerischer Verein WIR
Betreff: Re: Umstrittener Redner tritt in Biel auf: Experten verorten ihn in der rechtsesoterischen Szene
Guten Tag Herr Oesch,
haben Sie den Text gelesen? Können Sie mir konkret sagen, welche Inhalte Sie beanstanden und aus welchen Gründen?
Besten Dank & e schöne Abe
Tobias Graden
Ein Paradebeispiel für Framing
Bcc: Chefredakteure Schweizer Medien & Schweizer Presserat
Lieber Herr Graden,
Ihre Rückfrage, welche Inhalte ich beanstande, erstaunt mich. Haben Sie schon einmal etwas von „Framing“ gehört? Ihr Artikel über Herrn Leppe ist ein Paradebeispiel dafür. Ich würde ihn als Beispiel für Studenten der Kommunikationswissenschaften empfehlen, wenn es um dieses Thema geht.
Und damit es auch der Dümmste Ihrer Leser merkt, starten Sie damit gleich in der Überschrift des Artikels:
Umstrittener Redner tritt in Biel auf: Experten verorten ihn in der rechtsesoterischen Szene
Nehmen wir an, Sie hätten an einem Symposium teilgenommen und ich würde über Ihren Beitrag an diesem schreiben und die Überschrift würde wie folgt lauten:
Tobias Graden, Schreiberling bei der systemtreuen Gassmann Media AG und mutmasslich aus bildungsfernem Milieu, betet den „Wokeism“ an
Würden Sie diesen Einstieg als journalistische Meisterleistung betrachten? Oder eher als Einstiegshammer eines beleidigten Kleinkindes, dem Sie seine Förmchen weggenommen haben?
Framing begünstigt Interpretationen
Lassen Sie mich noch ein paar erklärende Sätze zum Framing sagen:
Framing ist eine Technik, bei der Informationen so präsentiert werden, dass sie eine bestimmte Perspektive oder Interpretation begünstigen. Es geht darum, wie etwas dargestellt oder „gerahmt“ wird, um die Wahrnehmung und Reaktionen der Menschen zu beeinflussen. Framing kann Wörter, Bilder, Töne oder eine Kombination davon verwenden, um Emotionen und Überzeugungen zu lenken. Und genau das tun Sie im Artikel.
Warum nutzen es „woke“ Journalisten permanent? Ich sage es Ihnen:
„Woke“ Journalisten, die sich stark für soziale Gerechtigkeit und progressive Werte einsetzen, nutzen Framing oft aus mehreren Gründen:
- Agenda Setting: Durch gezieltes Framing können Journalisten Themen und Narrative hervorheben, die ihre politischen und sozialen Ziele unterstützen. Dies hilft, die öffentliche Agenda zu bestimmen und Diskussionen in eine bestimmte Richtung zu lenken.
- Mobilisierung: Framing kann Emotionen wie Empörung oder Mitgefühl wecken, was wiederum Menschen dazu motivieren kann, sich für bestimmte Themen zu engagieren oder gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen.
- Gegennarrative: Durch das Framing von Informationen können „woke“ Journalisten gegen etablierte Machtstrukturen und dominante Narrative vorgehen. Es dient dazu, alternative Sichtweisen und unterrepräsentierte Stimmen hervorzuheben.
Und genau das war Ihre Absicht! Wieso soll Ricardo Leppe rechtsesoterisch sein? Ich bezweifle, dass Sie selbst eine gute Antwort darauf haben. Nur, weil er für ein neues Bildungssystem steht, in dem die Kinder nicht frühsexualisiert werden und in dem es auch nicht 52 Geschlechter gibt?
Warum wird heute alles und jeder als rechts, rechtsextrem oder gar rechtsesoterisch bezeichnet, der mit der woken Agenda des angeblichen Wertewestens nicht einverstanden ist? Ich sage es Ihnen:
- Polarisierung: Unsere Gesellschaft wird zunehmend ABSICHTLICH polarisiert, und die politische Landschaft ist stark fragmentiert. In einem solchen Umfeld werden extreme Labels verwendet, um Andersdenkende zu delegitimieren oder zu marginalisieren. Genau das ist Ihre Absicht.
- Defensive Reaktion: Menschen, die sich stark mit progressiven Werten identifizieren, sehen oft jegliche Opposition als Bedrohung für die von ihnen angestrebten sozialen Veränderungen. Das Labeln von Gegnern als „rechts“ oder „rechtsextrem“ kann als eine defensive Taktik gesehen werden, um die eigene Position zu schützen und zu stärken. Das haben Sie getan.
- Diskreditierung: Indem man Kritiker als „rechts“ oder „rechtsextrem“ oder gar „rechtsesoterisch“ bezeichnet, können deren Argumente leichter diskreditiert und ihre Glaubwürdigkeit untergraben werden. Dies verhindert eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den eigentlichen Argumenten und Problemen. Genau das wollen auch Sie offenbar verhindern. Sich bloss nicht mit dem heutigen Indoktrinierungsschulsystem auseinandersetzen. Dann müsste man ja zugeben, dass es überwiegend kleine, angepasste Systemschranzen auswirft.
- Mediale Resonanz: Medien tendieren dazu, polarisiertes und konfliktgeladenes Material stärker zu betonen, da es höhere Einschaltquoten und mehr Engagement generiert. Die Darstellung von Gegnern der „woken“ Agenda als extrem kann somit auch kommerziellen Interessen dienen. Und ich nehme an, dass sich Ihre Leserschaft und/oder Zielleserschaft Anhänger der woken Religion sind.
Framing und das Labeln von Kritikern sind mächtige Werkzeuge, die in der heutigen Medienlandschaft weit verbreitet sind. Sie reflektieren und verstärken die tiefen gesellschaftlichen Spaltungen und tragen zur zunehmenden Unversöhnlichkeit im politischen Diskurs bei. Und genau dazu tragen Sie mit ihrem Artikel und dem Framing bei.